• Generation Y
  • Abiturient Leo Jahrgang 1996
  • Harry Potter hat mich durch meine Kindheit begleitet. Als Kind hat mir meine Mutter immer daraus vorgelesen, später habe ich die Bücher alle selber gelesen. Natürlich war ich immer einer der Ersten, die ins Kino gegangen sind und dann auch nicht nur einmal, sondern mindestens zwei oder gar dreimal. Ich wollte immer zaubern können und hatte gehofft, endlich einen Brief von einer Eule zu bekommen, damit ich endlich auf die Hogwartsschule gehen kann.
  • Januar 2015
  • HATTEST DU EINE SCHÖNE KINDHEIT?
  • Ich hatte eine Kindheit, die glücklicher nicht hätte sein können! Meine Mutter ist Architektin und mein Vater Sozialarbeiter und beide hatten echt gut verdient, sodass ich alles bekommen habe, was ich wollte. Meine ganzen Freunde hatten auch nur Häuser. Kettwig ist auch so eine Idylle, hier kann man die Kinder auch einfach bis es dunkel wird draußen rumrennen lassen, ohne dass was passiert. In den letzten Jahren ist das jedoch alles etwas anders geworden. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich zehn Jahre alt war, da war ich auch das erste Mal in einer Mietwohnung.
  • DU WOHNST NOCH IM ELTERNHAUS?
  • Ich wohne noch Zuhause bei meiner Mutter in Essen zusammen mit meiner Schwester und unserem Hund. Meine Mutter hat schon immer hier gewohnt und als ich geboren wurde, sind wir in das Haus gezogen. Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu meiner Mutter, das liegt auch daran, dass wir beide in den letzten Jahren durch sehr schwierige Zeiten gegangen sind. Auch wenn ich sehr gerne hier wohne, bin ich aber auch froh, nach meinem Abitur im Mai auszuziehen. Ich will dann in die Essener Innenstadt ziehen und in Dortmund Raumplanung studieren.
  • WAS WAR ALS KIND DEIN TRAUMBERUF?
  • Als Kind wollte ich – ganz furchtbar – Chemiker werden. Mir ist letztens aufgefallen, dass ich von meinen Eltern in so eine naturwissenschaftliche Richtung gedrängt wurde. Ich habe dann immer so Chemiebaukästen bekommen. Auch hatte ich so eine kleine Modelldampflok, eine Dampfmaschine und ganz viel technisches Spielzeug. Das fiel mir erst wirklich vor einem Monat oder so auf, dass ich fast nur solchen Kram gehabt habe.
  • WAS MACHST DU IN DEINER FREIZEIT?
  • Ich bin schon sehr viel gereist. Ich war schon in den Staaten, in New York für zwei Wochen, bin eigentlich schon komplett durch Europa gereist, war zweimal in Afrika, in Tunesien und Uganda, wo ich geholfen habe eine Schule aufzubauen. Das war ein kompletter Kontrast zu unserer Welt. Die Leute leben dort noch sehr traditionell und sind über Sachen glücklich, die wir als selbstverständlich erachten. Das ist schon sehr interessant, diese Differenz zu sehen.
  • WELCHEN EINFLUSS HAT DER AUFENTHALT IN UGANDA AUF DICH GENOMMEN?
  • Im Rahmen eines Schulprojekts vor drei Jahren ging es über die Sommerferien nach Uganda. Wir haben vor Ort bei Familien gewohnt. Es war relativ schwierig mit ihnen zu kommunizieren, weil sie nur sehr begrenzt Englisch sprachen, aber mit der Zeit hat man sich mit Händen und Füßen verständigen können. Wenn man dann wieder nach dieser Erfahrung zurückkehrt, ist man stark geprägt. Man schaut einfach mit ganz anderen Augen auf all das, was man hier so hat. Gerade wenn man frisch zurück ist, schätzt man jeden Liter Wasser, weil man hier halt nicht eben einen halben Kilometer laufen muss, um zu einem Brunnen zu gelangen und man muss auch nicht diese Wasserkanister durch die Gegend tragen. Für uns ist Wasser ein alltägliches Gut. Dort hat man aber gesehen, dass manche Menschen viel mehr auf Lebensmittel wie Wasser achten müssen, man hat gesehen, wie dankbar die Leute waren, ein Dach über den Kopf zu haben und wie sehr sie sich gewünscht haben, zur Schule gehen zu können. Sie haben uns alle dankbar verabschiedet, als wir diesen einen kleinen Raum gebaut haben, in dem sie jetzt unterrichten. Das ist schon eine andere Welt. Man lernt viel mehr wertzuschätzen was man hier so hat.
  • BETRACHTEST DU SEITDEM DEIN UMFELD ANDERS?
  • Auf jeden Fall, mal ganz von privaten Zwists abgesehen, erlebe ich in meiner Generation, dass immer weniger wertgeschätzt wird. Da geht so ein Verhaltenskodex flöten, wodurch ein Miteinander kaputt gemacht wird. Diese ganze Smartphone-Revolution zum Beispiel. Ich meine, ich besitze auch eins, aber ich hatte zwei Jahre lang gar kein Handy und war nur übers Festnetztelefon zu erreichen und das war eine sehr schöne Zeit für mich. Man erlebt erst, wenn man es nicht mehr hat, dass man ein Sklave dessen geworden ist und alle von einem erwarten, dass man immer erreichbar ist und man sofort antwortet. Andererseits ist es auch so, dass unsere Generation wenig mitbekommen hat, was die Generation meiner Oma erlebte: auf etwas verzichten zu müssen. Wenn wir auf unser Handy verzichten müssten oder auf das x-te T-Shirt, dann „leiden“ wir, aber wir haben nie wirklich festgestellt, ich auch nicht, wie es ist, ernsthaft auf etwas verzichten zu müssen.
  • WO SIEHST DU DICH IN DER ZUKUNFT?
  • Ich sage immer eins nach dem nächsten. Natürlich habe ich einen Plan; ich will irgendwann in die Beamtenlaufbahn eingehen, weil das relativ zukunftssicher ist. Aber erstmal mein Abitur machen, danach will ich auf jeden Fall per Interrail allein und komplett auf mich allein gestellt einen Monat lang durch Europa reisen. Das hilft mir wahrscheinlich bei meinem Abnabelungsprozess, um danach ausziehen zu können. Da gewinnt man, denke ich, ganz viel Autonomie. Da ich selber der Schöpfer meines Glücks bin, traue ich mir für meine Zukunft aber auch relativ viel zu.
  • BIST DU MIT DEINEM LEBEN ZURZEIT ZUFRIEDEN?
  • Ja, auf jeden Fall. Ich bin sehr sehr glücklich mit meinem Leben. Klar, es gibt immer wieder Sachen, wo man sich denkt, das kann auch besser sein, aber auf der anderen Seite, das müsste ich selbst machen und da bin ich dann auch ein Stück weit zu faul für. Aber ich kriege alles soweit auf die Kette und ich habe einen Freundeskreis, der mich stützt – ich bin zufrieden.