• Generation Y
  • Sozialarbeiter Pasquale Jahrgang 1990
  • Wir haben keine spirituelle Verbindung, wie man das oftmals von eineiigen Zwillingen hört. Das sind wir nicht, wir sind zweieiig. Ansonsten ist das aber so, wie man es aus schlechten Filmen kennt. Wir verstehen uns blind, wir müssen nicht irgendwelche Worte austauschen, um zu wissen, wie es dem anderen geht oder was für eine Phase er momentan durchlebt. Wir reden über viele Sachen, aber auch nicht über alles.
  • Dezember 2015
  • WER VON EUCH BEIDEN IST ÄLTER?
  • Meine Schwester ist nur sechs Minuten älter als ich. Ganze sechs Minuten, würde sie sagen. Manchmal zieht sie mich damit auf und ich sage ihr dann, dass ich größer bin – sie ist tatsächlich einen ganzen Kopf kleiner als ich. Hin und wieder hat es eben auch Vorteile, nur zweieiig zu sein.
  • WAS HABT IHR GEMEINSAM? WAS UNTERSCHEIDET EUCH?
  • Sie ist, ebenso wie ich auch, ein sehr gefühlvoller Mensch – in Sachen Emotionalität sind wir sehr identisch. Was uns jedoch unterscheidet ist der Ehrgeiz; ich bin nochmal ehrgeiziger als sie, aber auch viel pingeliger. Andersrum sieht sie viele Sachen viel entspannter und gelassener als ich und steigert sich weniger rein. Das mache ich manchmal, da könnte ich mir etwas von ihr abschneiden.
  • INWIEFERN STEIGERST DU DICH IN SITUATIONEN HINEIN?
  • Wie jeder Mensch habe auch ich meine Macken, ich nenne sie gerne immer meine Monk-Macken, benannt nach der Fernsehserie Monk. So bestimmte Angewohnheiten habe ich noch heute, als Kind war es aber extremer; da habe ich meiner Mutter schon in der ein oder anderen Nacht den Schlaf geraubt. Das waren so banale Sachen, wie wenn die Schnürriemen nicht parallel zueinanderstanden, dass ich auf den Boden gestarrt und einen Tobsuchtsanfall bekommen habe und meine Mama mir die immer wieder neu schnüren musste, bis sie dann irgendwann gesagt hat, dass ich barfuß laufen muss. Das war vor allem damals in der Kita-Phase, heutzutage ist das eher so, dass ich, wenn ich einen Raum betrete, direkt immer alles geradestelle oder anfange aufzuräumen – meine Familie und Freunde ziehen mich gerne damit auf, aber da kann ich gut mit leben.
  • WAS WAR ALS KIND DEIN TRAUMBERUF?
  • Damals wollte ich Polizist werden, ich fand die Uniform so toll, die verleiht einem einfach einen gewissen Respekt. Wir hatten im Kindergarten mal einen Polizisten zu Besuch, dem ich irgendwann die Handschellen geklaut und mich im Gebüsch in der Hoffnung versteckt hatte, dass er sie vergisst – letztlich hat er es jedoch nicht und ich musste ihm die wieder zurückgeben.
  • WIE WARST DU ALS KIND?
  • Neben meinen Monk-Macken war ich eher ein Haudegen, so ein kleiner Rambo, der Konflikte nicht unbedingt gemieden und wie verrückt Fußball gespielt hat. Wenn es eine Klopperei gab, dann habe ich gerne zugeguckt. Ich war in der Anfangszeit der Pubertät sehr ichbezogen und egoistisch, was mit 16 nachgelassen hat bzw. total gekippt ist. Zu dieser Zeit hatte ich einen großen Umbruch und habe mich von gewissen Menschen distanziert, habe als Fußballtrainer angefangen und so auch gelernt, selbstständiger zu sein und Verantwortung zu tragen. Seitdem bin ich gelassener und nicht mehr so ichbezogen. Wieso ich damals so war? Ein Stück weit war es ein Selbstschutz – mit 16 Jahren war es für mich auch noch ein Problem, dazu zu stehen, dass ich auf Männer stehe.
  • FÄLLT DIR DER UMGANG INZWISCHEN LEICHTER?
  • Ja, auf jeden Fall. Die Freunde, die sich nach meinem Outing abgekapselt haben, waren eh keine nahen Freunde gewesen, mit denen man durch dick und dünn gehen konnte. Das waren eher zweckgebundene Freundschaften zum Feiern oder Fußball spielen. Bei meiner Familie war es nicht so schwierig.
  • HATTE ES AUSWIRKUNGEN AUF DEINE FUßBALLAKTIVITÄTEN?
  • Beim Fußballverein habe ich mich als erstes geoutet, weil ich das Schlimmste direkt hinter mir haben wollte. Das ging leider nicht lange gut, selber spielen war eigentlich gar nicht mehr möglich und trainieren war auch schwer, obwohl ich Mädchenmannschaften trainiert habe. Da war dann der ein oder andere, der die Leistung infrage gestellt hat, obwohl das Quatsch ist.
  • BIST DU DURCH DIE UMBRUCHPHASE ZUR SOZIALARBEIT GEKOMMEN?
  • Nein, ich glaube das ist ein Märchen, dass man helfen möchte, weil man selber Schwierigkeiten im Leben hatte. Sicherlich weiß man in gewissen Punkten, wie ein Jugendlicher tickt, der ähnliche Situationen durchgemacht hat und das vereinfacht einen Beziehungsaufbau. Aber ich bin eher durch Zufall zur Sozialarbeit gekommen. Ich hatte vorher eine Zeit lang Geschichte und Philosophie auf Lehramt studiert, habe aber schnell gemerkt, dass das nichts für mich ist. Als Lehrer vermittelt man nur Wissen, die Schüler sind einem darüber hinaus egal – entweder sie packen es und du kannst sie mitreißen oder sie wollen nicht und werden dann fallen gelassen. Ich habe das dann abgebrochen und mich für soziale Arbeit entschieden, da ich vorher auch schon sozial engagiert war, sei es nun als Fußballtrainer oder als Leiter der schulischen Musik AG.
  • WAS MACHT DIR AN DEINEM BERUF SPAß?
  • Seit einem halben Jahr, seitdem ich ausgelernt bin, arbeite ich mit Jugendlichen. Ich versuche sie weitestgehend in richtige Bahnen zu lenken, auch wenn es meistens so ist, dass man nicht direkt große Ergebnisse sieht. Aber wenn man sie zum Beispiel nur dazu bringt, dass sie sich in einem Verein anmelden, um mit den eigenen Aggressionen klar zu kommen, dann ist das schon ein guter Schritt. Große Ergebnisse wie beispielsweise eine Ausbildung sieht man erst, wenn der Jugendliche sich nach Jahren blicken lässt und sagt, du hattest recht und er hat das und das aus seinem Leben gemacht.
  • WO SIEHST DU DICH IN DER ZUKUNFT?
  • Beruflich möchte ich mich gerne weiterbilden, mich reizt die Psychologie. Dadurch kann man gezielter und intensiver mit dem Menschen zusammenarbeiten und ihm besser helfen. Im Privatleben möchte ich natürlich irgendwann den Mann kennenlernen, mit dem ich glücklich und alt werde. Mit dem ich auch viel unternehmen kann. Doch auch dann möchte ich nicht stehen bleiben. Man sollte immer gucken, dass man nicht stehen bleibt, dass man sich nicht hängen lässt, sondern immer an sich arbeitet. Das ist meine Grundeinstellung für alle Bereiche.
  • BIST DU MIT DEINEM LEBEN ZURZEIT ZUFRIEDEN?
  • Ja, also ich bin schon zufrieden. Mir macht der Beruf Spaß, ich habe tolle Freunde und eine tolle Familie, das ist so das Wichtigste für mich. Das ist das, was meine Lebensfreude aufrechterhält – wenn ich das alles nicht hätte, dann würde ich ganz alleine und isoliert dasitzen, das will ich nicht.